Anfang diesen Jahres brach meine Schuppenflechte wieder heftigst durch. Ätzend. Im April beschloss ich in den sauren Apfel zu beissen und eine Fumaderm Therapie zu machen. Im Net hatte ich gelesen das es zum Einleiten da mittlerweile ein light-version gibt, damit die Nebenwirkungen nicht so heftig sind. Gut. Ich war auf die Nebenwirkungen - Erbrechen, Durchfall - eingestellt, das war es mir wert. Ich bin zu der Hautärztin bei der ich auch 2000 schon war. War auch kein Thema. Also ab dafür. Und es ging auch gleich los mit den Nebenwirkungen, und wie! Shit. GSD bin ja ja nun nicht gerade ein zartes Reh, also nicht so schlimm mal ein paar Kilo zu verlieren. wie rapide das allerdings ging hatte ich nicht im Blick. Ich merke nur schnell das die Klamotten rutschten, das ich immer schwächer wurde. Aber gut, Augen zu und durch. Informiert wie ich war dachte ich: Das soll ja irgendwann nachlasssen. Nur entsetzliche Kopfschmerzen hatte ich. Innerhalb kurzer Zeit hatte ich alles geschluckt was ich so im Haus hatte, keine Chance. Kopfaua ging nicht weg. Und ich wurde schwächer und schwächer.
Ende April, am 27. bin ich dann doch zur Hautärztin. Die war ein wenig erschrocken und auch sauer über meinen Zustand. Warum ich nicht eher gekommen wäre, sofort das Medi absetzen. Das hatte ich befürchtet, aber so ging es ja nicht weiter. Gegen meine Kopfschmerzen konnte sie mir nichts geben, ich sollte zum Hausarzt. Und dann erst mal wieder aufpäppeln. Ich bekam einen neuen Termin, wir wollten dann sehen wie es weiter geht. Der Hausarzt hat mir auch was starkes gegeben, und war auch bisschen erschrocken.
Die Kopfschmerzen blieben trotz Medi. Und ich wurde schwächer. Hm, ich dachte, ok, es dauert vielleicht noch bis das Medi aus dem Körper ist. Kann ja nur besser werden. Am 3. Mai hatte ich einen Termin bei meiner Therapeutin, ich fuhr selbst. Unterwegs hatte ich fast einen Unfall weil ich unbemerkt auf der Mitte der Strasse fuhr. Erst aufgebracht hupende Autofahrer machten mich darauf aufmerksam. Meine Therapeutin riet mir dringenst nicht mehr zu fahren. meine Güte ich konnte auch kaum noch laufen, schlich nur so dahin.
Am nächsten Tag hatte ich ein Treffen mit meinem Betreuer, der auch nicht erbaut war. Ich sollte dringend wieder zum Arzt, ich wäre in schlimmer Verfassung. Hm, ich dachte ich muss mich nur wieder aufpäppeln, das wird schon. Am nächsten Tag ein Termin mit meinem Psycho Doc. Wieder die selbe Aussage, ich wieder, das wird schon wieder.
Zum Muttertag am 8. Mai hatte ich meine Töchter mit Anhang zum Spargelessen eingeladen. Am Samstag ging es mir aber so schlecht das ich das absagen musste. Meine Jüngste kam um nach mir zu schauen. Am Sonntag kam dann die Große und betüdelte ihre Mutter. Ein wenig neben der Spur war ich da schon.... aber das ist mir erst später klar geworden. Sie war jedoch so erschüttert das die beiden sich abends zusammen setzten und beschlossen, wenn es Montag nicht besser ist, muss der Hausarzt kommen und ich evtl. ins Krankenhaus. Vom Montag weiß ich nicht mehr allzu viel, nur Bruchstücke. Ich war wohl ziemlich verwirrt. Und noch schwächer, aber nicht mehr in der Lage das zu realisieren. Nur diese Kopfschmerzen, daran erinnere ich mich, höllisch.
Dienstag bin ich noch aufgestanden, dann saß ich vormittags auf dem Sofa und wollte ins Bad. Ich weiß das ich einfach nicht aufstehen konnte, keine Kraft. Unfassbare Erfahrung. Ich rief in M. an, hoffte da ist jemand der mir hilft, egal wie. Es kam ins Rollen. Meine Jüngste wurde von der Arbeit geholt und machte sich höchst besorgt auf den Weg. Ich erinnere mich das ich dachte: Du musst die Wohnungstür aufschließen. Wie ich da hin kam, keine Ahnung, ich glaube ich bin gekrochen, irgendwann fand ich mich jedenfalls auf dem Boden wieder. Meine Tochter kam und sagte der Hausarzt ist schon unterwegs. Ich sollte ins Krankenhaus. Wollte ich natürlich nicht, nach den schlechten Erfahrungen im Januar hatte ich darauf wenig Lust. Der Hausarzt hat mich dann doch überzeugt. RTW, die beiden Hänflinge durften mich dann vom 2. Stock runtertragen.
Im Krankenhaus in B. kam ich auf Intensiv, zum aufpäppeln. Ich erinnere mich das ich wohl ziemlich Theater gemacht habe *schäm*, ausserdem fragten die mich dauernd ob ich gestürzt sei. Nervig, aber ich war ziemlich daneben. Dann wurde ein CT gemacht und darauf haben die ETWAS in meinem Kopf gesehen was da offensichtlich nichts zu suchen hatte.
Da ist er- Man sieht deutlich wie er alles zur Seite drückt. Kein wunder das man da Kopfschmerzen hat. |
Halbwegs zu mir kam ich nach einigen Infusionen am nächsten Tag. Ärzte erzählten mir was von Klinikum M. was im Gehirn, Evtl. Operation... Ich bekam das nicht so wirklich mit. Plötzlich war ich in M. im Krankenhaus. Dort wurde als erstes ein MRT gemacht, weia, ich war nicht sehr brav. Hab ziemlich rumgezappelt. Kann ich mir heute gar nicht erklären warum. Danach kam das erste Mal der Schwarmder Neurochirurgen zu mir. Die waren nett. Ich habe mit meinen ganzen Ärzten ne Riesen Portion Glück. Alle nett und ausgesprochen kompetent.
Die Ärzte eröffneten mir das ich einen Hirntumor hätte, der schnellstens operiert werden müsste. Hm, Hirntumor, da war plötzlich Krebs. Ich? Ich habe das nicht so wirklich realisiert. OP, ok, was muss das muss. Wer will schon sowas im Gehirn haben. Das Gehirn, das wichtigste Organ, ohne das geht gar nichts. Nicht erseztbar, keine Prothese hilft da.... wenn das nicht mehr geht, dann ist Ende. Also Messer wetzen meine Herrschaften. Ich stand einer OP sehr positiv gegenüber. Raus mit dem Ding, aber zackig. Naiv und uninformiert wie ich war dachte ich: Kopf auf, Ding rausschneiden und gut ist. Nicht das mich die Ärzte nicht aufgeklärt haben, ich habe auch nachgefragt, aber ich konnte das nicht so wirklich erfassen.
Was meine Töchter in der Zeit mitgemacht haben ist schwer zu beschreiben. Allein das ich in so schlechter Verfassung war war schockierend für sie. Da komme ich zum aufpäppeln ins Krankenhaus - und dann das. Die waren völlig fertig.
Am 12. Mai die erste OP. Ich habe ja nichts davon mitbekommen, aber war weder besorgt noch ängstlich. Von Anfang an habe ich den Ärzten vertraut. Ich kam auf der Intensiv zu mir. Bis auf die Tatsache das ich durch die ganze Vorgeschichte noch völlig platt war ging es mir gut. Ach ja, und ich hing an einer ganzen Batterie von Monitoren. Überall Strippen und piepen, Schläuche und das ganze Gedöns. Aber das musste wohl so sein. Aufstehen war also nicht drin. Das passte mir natürlich ganz und gar nicht.
2 Tage nach der ersten OP mit Matschauge, aber gut drauf |
Bei der ersten Visite nach der OP bekam ich dann die Wahrheit, soweit bis dahin bekannt.
Hirntumor, schnellwachsend und sehr bösartig. Bei dieser Art Tumor lässt sich das schon vor dem histologischen Befund mit 100% Sicherheit sagen. Am selben Tag das nächste MRT. Das Ergebnis: Es muss ein weiteres Mal operiert werden, innerhalb der nächsten Tage. Ich fragte die Ärzte permanent Löcher in den Bauch, und sie waren sehr freundlich, erklärten alles, auf fünfmal wenn ich es bis zur nächsten Visite wieder vergessen hatte. Soweit hatte ich verstanden: Es geht im Gehirn bei diesem Tumor nun mal nicht alles zu entfernen.... Aber sie tun was sie können. Ok. Wie schon vor der ersten OP war ich sehr zuversichtlich. Die erste hatte ich gut weg gesteckt und maulte den Ärzten jeden tag die Ohren voll das ich auf Normalstation komme. Irgendwann hatte ich sie so weit. Die Freude war gross.
Dort hatte ich dann eine super Bettnachberin, das hat viel ausgemacht. sie konnte nicht richtig laufen, hatte was mit der Bandscheibe. Ich war tatal wackelig auf den Beinen. Also haben wir uns Rollis organisiert und konnten so rauchen gehen :-). Egal, ich wollte nicht nur im Bett liegen. Und die Wege in diesem Krankenhaus sind soooo weit. Egal. Und das Essen ging besser. Nicht viel aber ich merkte wie meine Kräfte langsam zurück kamen. Appetit war wieder da. Und die Kopfschmerzen weg. Ich war super drauf. Alle staunten, ich nicht. Da war ich dann pragmatisch. Ich hatte ja keine Wahl. Sollte ich mich hängen lassen? Hätte mich auch nicht weiter gebracht.
Wie gesagt, der 2. OP blickte ich gelassen entgegen. Ich bekam jeden Tag weitere Informationen und konnte gut damit umgehen. In diversen Telefonaten und Gesprächen mit Leuten aus meinem Umfeld konnte ich so eine gewissen Unterton nicht ignorieren. Daher stellte ich mich vorsichtshalber schon mal auf unangenehme Dinge ein. Ich wundere mich heute noch das ich dabei so gut drauf war. Muss echt am Kortison gelegen haben.
Gut, die 2. OP war ein Kinderspiel. Am 20. Mai war es soweit. 24 h später war ich auf Normalstation und auch das erste mal in Begleitung vor der Tür. Es ging mir viel besser. In den folgenden Tagen bekam ich dann von den Ärzten gesagt das mein Tumor unheilbar ist. Wie er heißt hatten sie zwar schon mehrfach gesagt, ich hatte auch gefragt, nach aufschreiben konnte ich mir das nun endlich merken: Glioblastom Grad IV.
Ich war immer noch erstaunlich gut drauf. Meinen Töchtern half das sehr, und mir auch. Das Umfeld reagierte entsprechend. Aber unheilbar, viel Stoff zum grübeln. Was heißt das eigentlich? Mangels Internet konnte ich mich nicht ausführlicher informieren, und das war auch gut so. Unheilbar, das heisst doch ich werde daran sterben. Hm. Ich fragte die Ärtze nicht wie lange ich noch habe. Mir war klar, das können die gar nicht wissen. Da Chemo und Strahlentherapie nach dem Krankenhaus geplant war ging es also erst einmal weiter, alles andere muss man sehen.
Unheilbar. Wie sage ich das meinen Kindern. Gar nicht, vorerst. Ich wollte mich zum einen erst selber informieren, zum anderen sollten sie sich ein wenig erholen. War alles ein bisschen viel. Unheilbar, wie soll ich damit umgehen? Es ernst nehmen, aber auf Lebensqualität achten, das stand schnell fest. Ich wollte mich nicht mehr ärgern, meine Zeit nicht mehr mit unnützen Dingen verschwenden... Sowas halt. Die Therapien durchziehen, alles tun was in meiner Macht steht. Ausser Wunderheiler, das ist einfach nicht meins.
Was mir unheimlich viel gebracht hat waren die lieben Besuche und Anrufe von lieben Leuten. Wie warm und stark mich das gemacht hat. Mein Leben lang dachte ich ich bin allein und keiner mag mich, alles falsch. Ich war so berührt. Alles in allem habe ich viel Glück.
Meine Kräfte kehrten langsam aber stetig zurück. Bald konnte ich ohne Rolli nach unten gehen, ich nutzte jede Gelegenheit aktiv zu sein, merkte jedoch das ich sehr ängstlich war. Das ich bloss nicht falle, nicht zu weit weg von Ärzten und Schwestern, Epileptischer Anfall? Es konnte so viel passieren. Als erprobter Angstpatient merkte ich was da ablief. Und siehe da, plötzlich konnte ich umsetzen was ich in der Therapie gelernt habe. Ich ging in mich. Wie mit Depressisonen und Ängsten umgehen? Was ich mir gar nicht leisten konnte, weiterhin wie bisher ab und an Rückfälle durch zu machen. Zwei Baustellen sind einfach zuviel. Und die Depri war da, die kam sofort händereibend aus der Ecke gekrochen, klar. Ich habe viel Zeit meiner schlaflosen Nächte mit weinen verbracht. Da die Schlaflosigkeit weiterhin mein Begleiter zu bleiben schien, beschloss ich die Zeit eben so zu nutzen. Abstellen ging ja nicht so einfach. Ich hatte nun einmal Depressionen. Also wollte ich mir nachts Zeit dafür nehmen. Um dann tagsüber Kraft für den Untermieter zu haben. Das klappt bis heute meist ganz gut. Meistens.
Am Tag der Entlassung |
Die Entlassung kam dann viel schneller als erwartet. Da brach dann doch ein wenig Panik bei mir aus. Die Ärzte reagierten gut, gaben ein paar Tage drauf, damit ich mehr regeln konnte. Eine Sozialarbeiterin kam zu mir, ich konnte mich mit den Kindern absprechen... Aber alleine zu Hause? Sehr beängstigend. Ich war ja immer noch schwach, und dann alleine zuhause? egal, ich konnte ja nicht ewig im Krankenhaus bleiben. Und es war ja auch eine Menge zu regeln. Die Chemo und Strahlentherapie sollte ja schnellstmöglich los gehen, wer weiss wie es dann wird, wie es mir dann geht... Das konnte zu dem Zeitpunkt keiner wissen. Also musste ich mich darauf vorbereiten. Dann eben ab nach Hause.
Am 26. Mai wurde ich entlassen. Komisch wieder in meine Wohnung zu kommen. Ich war schon völlig erledigt als ich im 2. Stock ankam. Na prima. Ausserdem war es nach über 2 Wochen Krankenhaus sehr merkwürdig plötzlich allein zu sein. Aber es gab ja nur eine Alternative: Aufgeben. Und da war mir so gar nicht nach. Ich hatte ja gemerkt das es langsam, aber stetig besser wurde. Und nach dem was alles hinter mir lag, war es ja kein Wunder schwach zu sein. Also weiter. Es gab ja sooo viel zu tun. Erst mal ins Internet.
Gut das ich vorgewarnt war. Aber das war dann schon hart. Ich stand kurz vor meinem 49 Geburtstag. Laut der Statistik war die Wahrscheinlichkeit meinen 50 zu erleben sehr gering. Das ist hart, bis heute. Aber - es können auch noch ein paar Jahre sein. KÖNNEN. Das ist ja der Mist. Niemand kann es wissen. Ich wusste das MRT Kontrollen im 3 Monats Rythmus stattfinden sollten. Also beschloss ich mir Meilensteine zu setzen. Alle 3 Monate einen. Wünsche für längere Zeiträume sind erlaubt, aber keine festen Pläne. Auf die lange Bank schieben geht nicht. Innerhalb eines Zeitabschnitts wollte ich LEBEN. Das war überschaubar. Ich wollte mich nicht falschen Hoffnungen hingeben. Realistisch sein. Dazu stehe ich immer noch. Nur, wie sage ich das meinen Kindern? Ich brauchte noch Zeit und sie auch, also verschob ich das einen Monat. Erstmal für mich klar kommen.
Und ich habe in den ersten 2 Wochen eine Menge geregelt. Mich nach einer Haushaltshilfe erkundigt, falls ich das nicht mehr machen kann, viele Arztbesuche, mich informiert, mich mit dem Tod und meiner Beerdigung auseinander gesetzt, aus meinem Telefonspeicher Nummern gelöscht mit denen ich nichts mehr anfangen konnte. Mich von Ballast befreit. Und es ging mir gut. Super gut. Fast unverschämt gut. Ich hatte eine Energie das war unglaublich. Tag für Tag wirde ich kräftiger. Und mein tolles Umfeld, ich bin sehr dankbar.